Aber lohnt sich das für Euch?

Ein Resümee zur Frankfurter Buchmesse von Jim Baker //

Fünf Tage auf der Frankfurter Buchmesse sind anstrengend. Fünf Tage lang um 9 Uhr ankommen und bis 18.30 Uhr mehr oder minder dekorativ rumzustehen und mit einem Dauerlächeln sich auf eine erstaunlich variantenreiche Horde von Menschen einzulassen – von StammbuchhändlerInnen und aufgeregten ErstautorInnen über gestresste KollegInnen und geübte Buchmessejunkies bis hin zu stirnrunzelnden Hetero-BesucherInnen und freudestrahlenden Quer-Lesenden.
Und von jedem dritten bekomme ich immer die Frage zu hören: „Aber lohnt sich das für euch?“

Tja, obwohl die Frankfurter Buchmesse keine Verkaufsmesse ist, das Bar-Geschäft lediglich am letzten Tag erlaubt ist und da die Standmiete für einen kleinen lesbisch-schwulen Verlag nun wirklich jedes Jahr eine Herausforderung darstellt, antworte ich trotzdem jedes Mal mit einem überzeugten „Ja, auf jeden Fall!“

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Unser Stand auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse. Foto (c) Marc Lippuner

Zugegeben. Es ist durchaus eine Typfrage. Ich freue mich jedes Jahr auf die Messe. Ich freue mich, die Leute dabei zu beobachten, nach welchen Neuerscheinungen sie als Erstes greifen und wie sie dann auf den Werbetext reagieren. Ich freue mich, wenn über 100 Kollegen und Kolleginnen aus anderen Verlagen am Donnerstag zu unserem Sektempfang erscheinen, um sich auszutauschen – auch weil dabei so schön geflirtet und getratscht wird. Ich freue mich drauf, wenn ich am Wochenende an den offenen Publikumstagen wieder die treuen LeserInnen begrüßen darf mit „Jedes Jahr wieder! Schaut mal, was wir seit der letzten Messe gemacht haben.“ Und vor allem freue ich mich, wenn sie dann sagen: „Ach, schön, dass jemand Flagge zeigt für die Community.“

Am letzten Messetag, also am Sonntag, 18. Oktober, bekamen wir dann Besuch von einer wirklich sehr interessierten Leserin aus Darmstadt, die sich die Neuerscheinungen ausführlich hat zeigen lassen und kluge und informierte Fragen zu Autorinnen und deren Romanen gestellt hat. Sie hat sogar zwei Bücher gekauft. Bevor sie sie jedoch in ihrem Rucksack verstaut hatte, zog sie ihr Notizbuch raus, zückte einen Stift und fragte: „Hast du vielleicht die Standnummern der anderen lesbischen und schwulen Verlage für mich. So muss ich sie im Katalog nicht nachschlagen.“ Als ich dann antwortete: „Na ja, explizite Lesben- und Schwulenverlage kommen nicht mehr nach Frankfurt. Wir sind wohl die Letzten“, wurde sie zu erst traurig, dann wütend, um schließlich eine Dankesrede auf den Querverlag zu halten, weil „wer soll denn sonst unsere Geschichten erzählen und verlegen wenn nicht andere Schwule und Lesben?“

Für solche Momente lohnt es sich nun wirklich, zur Buchmesse nach Frankfurt zu fahren. Und, ja, anstrengend ist so eine Woche allemal, doch es ist durchaus eine Anstrengung, die mich auch nach 21 Buchmessen jedes Jahr motiviert und mich daran erinnert, für wen wir hier Bücher produzieren. Und dafür nehme ich ein bisschen Heiserkeit und schmerzende Füßen nun wirklich gern in Kauf.

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Jim Baker ist Mitbegründer und Geschäftsführer des Querverlags.

Ein Kommentar

  1. Stimmt, das hat sich ziemlich geändert. Früher gab es mal fast einen ganzen Gang schwuler und lesbischer Verlage. Ich war auch überrascht, wie sehr sich das geändert hat. Zumal ich dieses Jahr sowieso das Gefühl hatte, das es sich ein bißchen geändert hat. Alles schien zwar noch groß und voll, aber näher zusammengerückt. Nicht, dass ich diese beiden Verlage auf meiner Liste hatte, aber es fiel auf: Kann es sein, das Taschen und Panini gefehlt haben? Das die Halle 8 leer war?
    Eigentlich muß man euch loben, hochhalten und euch ständig die Schulter klopfen. Gut gemacht, bleibt dabei, weiter so 🙂

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